Stellungnahme zum Artikel „Bundeswehr: Amt in Koblenz in der Kritik“ in der Rhein-Zeitung vom 30.09.2014

 

Nach dem Erscheinen des o.g. Artikels haben uns viele Mitglieder auf die abermalige Kritik an unserem Amt angesprochen. Viele fühlen sich von der Politik persönlich diskreditiert und im Stich gelassen, denn einmal mehr müssen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Prügel für politische Fehlentscheidungen der Vergangenheit einstecken. Beim unbeteiligten Leser wird der Eindruck erweckt, dass auch nach der x-ten Reform des „Zeughauses am Rhein“ keinerlei Besserung in der Entwicklung und Beschaffung von Wehrmaterial eingetreten ist. Im Gegenteil, der Vorwurf der „Verselbstständigung“ wiegt schwer.

Unser Verband möchte sich – vor allem auch im Namen unserer Mitglieder – dagegen verwahren. Aus unserer Sicht ist dieser Artikel schlecht recherchiert, glänzt nicht durch Fachexpertise und lenkt die Misere einseitig auf diejenigen, die seit Jahren alles versuchen, um mit den ohnehin knappen Ressourcen das Bestmöglichste für die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz zu leisten. Den Artikel und seine einseitige subjektive Darstellung von hausgemachten Missständen möchten wir so nicht stehen lassen. Ursächlich für die Probleme sind aus unserer Sicht nachfolgend aufgeführte Sachverhalte:

- Deckelung des zivilen Personalumfangs auf 55.000 ohne Durchführung einer fundierten Aufgabenbemessung.
- Aufgabe des bewährten und detaillierten Entwicklungs- und Beschaffungsprozesses (EBMat) zugunsten des neuen Rahmenwerkes CPM (Custom Product Management). Der EBMat wurde ohne Not aufgegeben.
- Im Rahmen der Konsolidierung des Gesamthaushaltes musste auch das Verteidigungsressort seinen Beitrag leisten, so dass in den letzten Jahren keine spürbaren Erhöhungen im Investivanteil als auch für den laufenden Betrieb zu verzeichnen waren (2012: 31,87 Mrd. Euro; 2016: geplant 32,4 Mrd. Euro).
- Mangel an hochqualifiziertem Personal, insbesondere an technischem Personal in den akademischen Laufbahnen des Rüstungsmanagements, sowie gleichzeitiger starker Stellenabbau im mittleren technischen Dienst. Bspw. hat der massive Personalmangel im Bereich der Güteprüfung mittlerweile zu gravierenden Problemen bei der Auslieferung von Bw-Material geführt.
- Sehr starke und einflussreiche Industrielobby, die den derzeitigen Entwicklungs- und Beschaffungsprozess maßgeblich beeinflusst hat.
- Durchgeführte teure Privatisierungsmaßnahmen, deren Erfolge bis heute auf sich warten lassen.
- Die jüngste Neustrukturierung der Bundeswehr glich einem „Big Bang“, d.h. es wurden in hohem Maße Aufgaben und Prozesse komplett verlagert ohne die gleichzeitige Verlagerung ihrer „Wissensträger“. In vielen Bereichen wurden laufende Prozesse abgeschafft bzw. Ämter übereilt aufgelöst, ohne dass funktionierende Prozesse in den neuen Organisationsstrukturen vorhanden waren. Neue Prozesse und Verfahren wurden erst nach dem „Big Bang“ definiert und eingerichtet. In diesem Zusammenhang wurde auch die gesamte HH-Mittel-Bewirtschaftung (Invest und MatErhalt) neu geregelt. Dies hatte vor allem negative Auswirkungen für die Übernahme der Nutzungsaufgaben durch das BAAINBw. Die Folgen: ET-/AT-Bedarf wurde nicht im erforderlichen Maß beschafft. Für den Einsatz erforderliches Material konnte und kann nicht bereitgestellt werden.

Hierfür können die Leitung und die Beschäftigten des Amtes nicht verantwortlich gemacht werden. Die Ursachen sind alleine in den politisch strategischen Weichenstellungen zu suchen, deren Ursprung in den Vorschlägen der Weizsäcker-Kommission vom 23. Mai 2000 zu finden ist und deren Umsetzung vom damaligen Verteidigungsminister Scharping eingeleitet wurden.

Weitere weitreichende strukturelle Veränderungen im Rüstungsbereich wurden nach dem Bericht der Strukturkommission im Oktober 2010 durch den damaligen Verteidigungsminister de Maizière vorgenommen, deren Folgen heute die betroffenen Soldatinnen und Soldaten sowie die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr wie oben bereits beschrieben zu tragen haben.

So wurde entgegen der Darstellung des Artikels in der Rhein-Zeitung der Personalkörper nicht größer, sondern gemessen an der Gesamtaufgabe und den hinzugekommenen Nutzungsanteilen deutlich reduziert. Waren vor der Neustruktur noch ca. 12.000 Dienstposten in den damaligen Ämtern der Teilstreitkräfte des BWB und IT-AmtBw ausgebracht, so muss das BAAINBw mit seinem Geschäftsbereich für die gleichen Aufgaben mit 9.600 Dienstposten auskommen.

Eine „Rückabwicklung“ der Nutzungsaufgaben mit dem Ziel der Wiederherstellung dezentraler Strukturen ist strikt abzulehnen. Wollte man doch ein Amt, das alles aus einer Hand für alle 3 Teilstreitkräfte den Rüstungs- und Nutzungsprozess steuert. Aus unserer Sicht der richtige Weg. Nur so können die Erfahrungen aus der Nutzung synergetisch in die Entwicklungen neuen Wehrmaterials einfließen.

Abschließend möchten wir noch anmerken:

Zu Zeiten, als das Wehrmaterial noch nach dem alten EBMat und mit einer ausreichenden Personaldecke entwickelt und eingeführt wurde und weltweit als Spitzenprodukte galten, waren Probleme in dem Ausmaß, wie sie heute existieren, unbekannt. Der derzeitige Entwicklungs- und Beschaffungsprozess (CPM) mit der heutigen Personalausstattung hat nicht die prognostizierten Verbesserungen hinsichtlich Termine, Kosten, Qualität und Zuverlässigkeit erzielt – im Gegenteil.

Der IGBI wird zusammen mit den anderen Verbänden und Gewerkschaften alles versuchen, um Schaden für das Amt und seine Beschäftigten abzuwenden.

Erste Aktivitäten sind bereits geplant!

Der Bundesvorstand